Sortieren wertvoller Zellproben
mit hochauflösender, echtzeitfähiger Bildanalyse

Presseinformation /

Die Zellsortierung ist für die medizinische Forschung ein grundlegendes Verfahren. In der Regel werden die gewünschten Zielzellen für die Sortierung über molekulare Fingerabdrücke auf ihrer Oberfläche identifiziert. Für viele Zelltypen sind solche Fingerabdrücke aber nicht bekannt oder greifen zu kurz, um verschiedene Zustandsformen ein und desselben Zelltyps auseinanderzu-halten. Ein neues, bildbasiertes Verfahren des Projekts IMAGO ermöglicht nun eine hochpräzise und schonende Sortierung von Zellen auf Grundlage von qualitativ hochwertigen Bilddaten.

In der modernen Medizin steht am Anfang der Bestimmung oder Heilung von Krankheiten oft ein bestimmter Zelltyp. Die Untersuchung der Funktionen und Eigenschaften der spezifischen Zelltypen erfordert in der Regel eine Isolierung der Zellen aus einem Zellgemisch. Dies ist wichtig, um Krankheiten zu verstehen, neue Therapien zu entwickeln und eine personalisierte Medizin zu ermöglichen. Die Zellsortierung ist eine Schlüsseltechnologie, die den Weg für einen tieferen Einblick in die komplexe Welt von Zellen und Geweben ebnet und zur Weiterentwicklung der medizinischen und biologischen Forschung beiträgt.

IMAGO | Fraunhofer | Image-Activated Cell Sorting
© Fraunhofer IZI-BB
Die Grafik zeigt eine künstlerische Darstellung der bild-basierten Sortierung von T-Zellen, bei denen die T-Zell-Rezeptoren nach der Aktivierung geclustert vorliegen. Nur durch hochauf-gelöste Bildgebung und Analyse können die Zellen mit geclusterten T-Zell-Rezeptoren in ihrer Membran von denen mit homogen verteilten Rezeptoren unterschieden werden.

Für die Aufbereitung von Zellproben kommen in der Regel Sortierverfahren zum Einsatz, die auf Durchflusszytometrie oder magnetischen Feldern basieren. Hierbei werden Antikörper, die spezifisch an verschiedene Zelltypen binden, entweder mittels Fluoreszenzfarbstoffen detektiert oder über magnetische Kräfte direkt adressiert. Insbesondere in der Durchflusszytometrie wird dabei mit hohen Vortriebsgeschwindigkeiten gearbeitet, wodurch erhebliche Scherkräfte auf die Zellen wirken, die ihre Vitalität beeinträchtigen können. Mikrofluidische Verfahren hingegen arbeiten in der Regel mit deutlich geringeren Scherkräften und bieten bei gleicher Präzision eine höhere Flexibilität. Die Zellen werden hierbei in winzigen Kanälen und mittels präziser Kontrollsysteme in unterschiedliche Populationen aufgetrennt. Im Spezialfall der Mikrofluidik mit bildbasierter Zellsortierung können die Zellen zudem nach ihren unterschiedlichen Morphologien und ortsaufgelösten Merkmalen bewertet und sortiert werden. 

Bildbasierte Zellsortierung bei hoher Biokompatibiltät

In der Tat existieren bereits auf Durchflusszytometrie aufbauende bildbasierte Verfahren, die meist einen komplexen optischen Aufbau benötigen. Durch die hohen Fließgeschwindigkeiten werden aber nur moderate Bildqualitäten erreicht. Eine hohe Auflösung der Zellbilder ist indes entscheidend für die Feinheit der Sortierkriterien.

Dr. Neus Godino und Forschende aus der Arbeitsgruppe um Dr. Michael Kirschbaum am Fraunhofer IZI-BB haben ein Verfahren entwickelt, welches mit deutlich geringeren Vortriebsgeschwindigkeiten arbeitet und den hohen Anforderungen an Auflösung und Bildqualität gewachsen ist (Gerling & Godino et al.). Dieses mikrofluidische Verfahren wird im Großprojekt IMAGO gemeinsam mit drei Fraunhofer-Instituten (Fraunhofer IIS, IOF and IZI-BB) und Forschenden des Berlin Institute of Health (BIH) an der Berliner Charité in die Anwendung überführt. Es kombiniert eine hochpräzise, intelligente Bildanalyse mit einer dielektrophoretischen Zellmanipulation, um bestmögliche Bildqualitäten, einen akzeptablen Durchsatz und höchste Reinheit zu vereinen. Die Methode zeichnet sich zudem durch geringe Zellverluste aus und ist aufgrund der langsameren Fließgeschwindigkeiten sehr schonend für die Zellen. Grundlage der Zellhandhabung in den mikrofluidischen Kanälen sind fein ansteuerbare elektrische Felder, mit denen die einzelnen Zellen im Fluss aufgereiht, in der Fokusebene positioniert und selbst bei hoher Zelldichte einzeln herausgefiltert werden können.

In der aktuellen Phase des Projekts wird die Nutzerfreundlichkeit und Anwendbarkeit des Verfahrens optimiert. Zukünftig soll ein Sortiersystem als mikrofluidischer Chip mit herkömmlichen Mikroskopen gekoppelt werden können. Für Nutzer*innen, die bereits mit mikroskopischen Methoden arbeiten, wird das System dann mit geringem Kosten- und Zeitaufwand einsetzbar sein. Die Forschenden im Projekt IMAGO sind darüber hinaus offen für Kooperationen, und bieten kundenspezifische Anpassungen des Systems sowie Sortierung von Proben als Dienstleistung an.

Kleiner Chip – Großes Anwendungsspektrum

Viele Anwendungsfälle wie eine gezielte Zelllinienentwicklung oder die Einzelzelldiagnostik würden von einem bildbasierten Trennungsverfahren stark profitieren. Virusinfizierte Zellen lassen sich beispielsweise häufig optisch durch extrazelluläre Vesikel erkennen. Zellaggregationen, die auf Immunreaktionen hinweisen können, würden mit der Durchflusszytometrie durchs Raster fallen, könnten allerdings zur Isolation von antigen-spezifischen T-Zellen eingesetzt werden. Auch die Anzahl von Chromosomen kann optisch analysiert und als Sortierkriterium zur Absonderung mutierter Zellen genutzt werden. Die subzelluläre Verteilung von Proteinen und Membranrezeptoren oder die Form oder Verteilung von Zellorganellen sind ebenfalls Eigenschaften, die nur durch bildgebende Verfahren für eine Sortierung zugänglich gemacht werden können. Der medizinischen Forschung eröffnen sich also mit der bildbasierten Zellsortierung in Bezug auf die Bandbreite der Sortierkriterien und Einsatzmöglichkeiten deutlich größere Freiheitsgrade.

Projekt IMAGO – Image Activated Cell Sorting 

In das große Projekt IMAGO fließen die Kompetenzen von Forscher*innen aus unterschiedlichen Bereichen ein. Dr. Michael Kirschbaum vom Fraunhofer IZI-BB leitet das Projekt, führt die einzelnen Komponenten zusammen und koordiniert die Weiterentwicklung. Am Fraunhofer IOF werden unter der Leitung von Dr. Norbert Danz bzw. Dr. Falk Kemper Beleuchtungs- und Abbildungssysteme für die Bilderfassung entwickelt und wichtige Prozessschritte im Zuge der Fertigung der mikrofluidischen Chips durchgeführt. 

Aus dem Fraunhofer IIS arbeiten Dr. Michaela Benz und Julia Hetzel an der intelligenten Bildanalyse. Das Team um Frau Dr. Benz aus der Arbeitsgruppe »Medical Image Analysis« verknüpft diese von Beginn an mit einer nutzerfreundlichen Software, die es den Nutzer*innen ermöglicht, das System anhand weniger Beispielbilder hinsichtlich Erkennung der eigenen Zielzellen zu »trainieren«. Dr. Michael Schmück-Henneresse vom Berlin Health Institute BCRT (BIH – Center for Regenerative Therapies) der Berliner Charité unterstützt das Projekt mit Zellmaterial und prüft das Setup an konkreten Fragestellungen. Das Projekt IMAGO wird über das Fraunhofer-interne PREPARE-Programm mit 3,3 Mio. Euro für etwa 4 Jahre gefördert und läuft seit Frühjahr 2021.